Die Jahreszeiten – Licht- und Schattenspiele von Sonne und schief kreiselndem Erdball

In der Nacht zu heute wurden wieder mal die Uhren von der Sommerzeit auf die  Winterzeit umgestellt.
So viel auch über die Folgen dieser jährlich 2-maligen Umstellerei diskutiert wird, auf die natürliche Abfolge der Jahreszeiten und damit der Tageslängen wirkt sich das nicht im geringsten aus. Denn der heutige Tag ist astronomisch ebenso (knapp) 24 Stunden lang wie der gestrige, denn die Erdkugel braucht an allen Tagen diese Zeit, um sich einmal ganz um ihre eigene Achse zu drehen. Und die „lichte Tageslänge“, d. h. die Sonnenscheindauer oder Tageslichtdauer zwischen Sonnenaufgang und -untergang, ist natürlich auch nicht eine Stunde länger als gestern, sondern sogar ca. 4 min kürzer als noch gestern. Diese Daten sind bezogen auf den Breitengrad 51,4° Nord meiner Nordsauerländer Heimat. Die gleiche Tageslichtdauer wie heute (27. Oktober), nämlich 9 Stunden und 56 min, hatten wir hier auch schon am 13. Februar (vgl. Blog-Artikel zu „äquivalenten Jahreszeiten„). Das bedeutet, dass wir an der Tageslänge alleine die Jahreszeit (bis auf zwei Tage als Ausnahmen) nicht erkennen können; dazu unten mehr….
Wie sieht es auf gleicher „Höhe“ = Breitengrad = gleicher Abstand zum Äquator auf der Südhalbkugel unseres Planeten aus? Dort liegt u. a. das südliche Argentinien und die Falkland-Inseln (der Rest des Breitengrades 51,4° Süd fällt übrigens zum größten Teil ins Wasser verschiedener Ozeane). Dort „unten“ haben wir am 27.10. eine Tageslänge von 14:36 h, also mehr als 4,5 h länger Tages-/Sonnenlicht als zurzeit hier in Mitteleuropa.
Das liegt bekanntermaßen daran, dass auf der Südhalbkugel (südliche Hemisphäre) gerade Frühling ist – und überhaupt dort immer die gegenteilige Jahreszeit wie bei uns im Norden des Erdballs herrscht. Meine Serie „Blick in die Gegenjahreszeit“ hier im Blog ist also immer auch in gewisser Weise ein saisonaler Bick auf die „Gegen-Halbkugel“.

Wie kommt es nun überhaupt zu den Jahreszeiten? Dass es auf jeden Fall etwas zu tun hat mit der Drehung der Erde um die Sonne, wofür sie ein Jahr braucht, ist Allgemeinwissen. Allerdings ist die irrige Meinung weit verbreitet, dass die jeweilige Entfernung der Erde von der Sonne die Jahreszeiten auslöst. Zwar läuft die Erde tatsächlich nicht auf einer echten Kreisrunde – also mit überall gleichem Abstand – um die Sonne, sondern etwas „eiförmig“, auf einer (schwachen) Ellipse. Die Entfernung zur Sonne schwankt zwischen 147 Mio. km und 152 Mio km. Falls das die Ursache der Jahreszeiten wäre, müsste allerdings zu jedem Datum auf der ganzen Erde, also auf beiden Halbkugeln, immer dieselbe Jahreszeit herrschen. Das ist aber nicht so.
Außerdem ist die Erde gegenwärtig im Januar der Sonne am nächsten (2013: 3. Januar), also mitten im Nordwinter.

Des Rätsels Lösung ist, dass die Erde nicht „gerade“ um die Sonne kreist. Denn die Erdachse – also die Linie durch die beiden Pole – steht nicht senkrecht auf der Erdumlaufbahn, sondern schräg, genauer gesagt um 23 ¹/² ° gekippt (Stichwort: Schiefe der Ekliptik). Diese Neigung behält unser Planet während des gesamten Umlaufs bei, pendelt also nicht (nennenswert) mit seiner Achse herum. Die Erdachse bleibt an jedem Punkt der Erdbahn zu sich selbst parallel. Durch diese Schrägstellung ändert die Erde auf dem Weg um die Sonne laufend ihre Ausrichtung zum Sonnenlicht. Mal ist dadurch die Nordhalbkugel mehr der Sonne zugeneigt, mal der Süden. Das wiederum führt dazu, dass mal die eine Halbkugel mehr und länger Sonnenstrahlung abbekommt, mal die andere.

In den folgenden Fotos habe ich mit einer äußerst primitiven und total unmaßstäblichen und nicht winkeltreuen „Versuchsanordnung“ die beiden extremen Jahreszeiten Sommer und Winter darzustellen versucht. Ein alter (und dreckiger) Tennisball stellt die Erde dar, der Nagel dadurch die Erdachse. Die Stecknadel markiert einen Punkt auf der Nordhalbkugel. Die Lampe soll die Sonne sein 😉 Den Äquator habe ich per Bildbearbeitung als gestrichelte Linie draufgesetzt. Man beachte, dass auch dieser natürlich schief liegt.
Auf dem ersten Bild ist die Ausrichtung der Erde zur Sonne etwa im Juni/Juli (und ca. mittags an der nadel-markierten Stelle), dargestellt:

Juli-Erdball

An dieser Position der Erde auf ihrer Umlaufbahn kommt das Sonnenlicht sozusagen von rechts und bescheint die Nordhalbkugel stärker als den Süden. Bitte auch hierbei wieder dran denken, dass die Nordhalbkugel nicht die optisch – parallel zur Bildwaagerechten – obere Hälfte des Balls ist, sondern der Bereich oberhalb bzw. halbrechts vom gestrichelt eingezeichneten Äquator!

Der Nordpol (unter dem Nagelkopf) liegt im Sonnenlicht; es ist also dort Polartag. Der Südpol (wo ich den Ball festhalte) dagegen liegt voll im Dunkeln, dort ist Polarnacht.  Drehen wir nun den Ball um seine Achse bleibt der Nordpol hell, der Südpol dunkel. Auch der Rest der Nordhalbkugel liegt während der 24-h-Drehung länger im Licht als der Süden. Deshalb sind die Tage nördlich des Äquators im Juli länger als die Nächte, im Süden ist es umgekehrt. Außerdem fallen die Sonnenstrahlen steiler auf die Erde, sodass sie die Erdoberfläche stärker erwärmen als bei dem flacherem Einfall auf der Südhalbkugel. Man sagt dann ja so schön, die Sonne sei „stärker“ im Sommer als im Winter. In Wirklichkeit ist ihre „Kraft“ natürlich völlig unabhängig von den irdischen Jahreszeiten. Vielmehr bekommen wir im Sommer nur mehr von der Sonne ab als im Winter. Von der Erde aus sehen wir die Sonne höher am Himmel stehen als im Winter. Aber es ist nicht die Sonne, die „klettert“, sondern immer nur verändert sich die Ausrichtung der Erde bzw. der jeweiligen Erdhalbkugel zur Sonne.

Auf dem nächsten Foto sehen wir die Situation etwa im Dezember/Januar:

Januar-Erdball

Die Erde hat sich zur entgegensetzten Seite innerhalb der Umlaufbahn bewegt, sodass Licht und Wärme nun „von links“ kommen. Wegen der gleich gebliebenen Schiefe der Erdachse sind auch hier wieder die beiden Erdhalbkugeln ungleich stark von der Sonne beschienen. Diesmal bekommt der Süden mehr Beleuchtung ab, der Nordpol liegt ganztägig im Schatten, der Südpol ganztägig im Licht.

Etwas genauer dargestellt ist alles hier in dieser Skizze aus einem Buch über Klimatologie (W. Weischet: Einführung in die Klimatologie):

IMG_2229

Ich habe darin die Sonnen-Beleuchtungsverhältnisse am 21.12. (Wintersonnenwende im Norden, Sommersonnenwende im Süden) gelb hervorgehoben.

Eigentlich gibt es nur zwei echte Jahreszeitpunkte, nämlich die Sonnenwenden am 21.06. und 21.12., wenn das Maximum bzw. Minimum der Sonneneinstrahlung und der Tageslänge bestehen und sich danach die Veränderung der Tageslängen umkehrt. Alle anderen Tageslängen kommen zweimal im Jahr vor. Um die Jahreszeiten allein an den Lichtverhältnissen bestimmen zu können, muss man also immer auch die Tendenz der Tage drumherum kennen. Sind die Tage z. B. sehr kurz, werden aber jeden Tag länger, ist es Winter. Scheint die Sonne sehr lange, aber jeden Tag weniger, ist es Sommer.

Es gibt aber schließlich noch zwei weitere Jahreszeiten und zwei weitere wichtige Punkte auf der Erdumlaufbahn. Auf dem Weg zwischen den beiden genannten Extrempunken (Sonnenwenden) muss es zwangsläufig zwei Positionen geben, bei denen die Erdachse doch mal senkrecht zu den Sonnenstrahlen steht. Dies geschieht während der Tag-und-Nacht-Gleichen zum Herbstbeginn (23.09. auf der Nordhalbkugel, 21.03. im Süden) und zum Frühlingsbeginn (21.03. bzw. 23.09.). Dann sind die Tage und Nächte an allen Orten der Erde gleich lang. Frühling und Herbst sind die Übergangsjahreszeiten zwischen Sommer und Winter und damit zwischen Tag-und-Nacht-Gleichen und Sonnenwenden.

Würde die Erde senkrecht auf iher Umlaufbahn stehen, hätten wir übrigens gar keine Jahreszeiten. Jeder Ort der Erde würde dann das ganze Jahr über gleichbleibend viel Sonne abbekommen. Tage und Nächte wären immer je 12 Stunden lang.

Da ist es mir doch lieber, dass wir „schief“ um unsere Sonne kreisen und die Vielfalt der Jahreszeiten genießen können – und ich diesen Blog machen kann 🙂

4 Gedanken zu “Die Jahreszeiten – Licht- und Schattenspiele von Sonne und schief kreiselndem Erdball

    • Danke für die Blumen! 🙂
      Es war ein echt hartes und langwieriges Stück (Formulier-)Arbeit – kein Vergleich zu allen anderen Artikeln hier im Blog.
      Soweit ich es in den Blog-Statistken verfolgt habe, wird dieser Beitrag öfter als die meisten anderen aus dem JaTaBu „ergooglet“. Die absolute Zahl der Aufrufe ist aber immer noch sehr bescheiden …
      So, nun freue ich mich auf einen freien Tag morgen, an dem ich aber wieder keinen solchen „Wahnsinns-Beitrag“ schreiben werde, sondern eher draußen Fotos für „normale“ Artikel sammle 😉

      Antworten
    • Dankeschön fürs Lob! 🙂
      Dann war mein bisher am schwierigsten zu schreibender (und zu bebildernder) Blog-Beitrag auf jeden Fall die Mühe wert …
      Da freue mich auch auch so lange nach dem Erstellen des Artikels noch sehr drüber!

      Antworten

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